Der NABU Wedemark informierte sich über Sonderkulturen der Teichwirtschaft in Poggenhagen bei Neustadt. Um die Biodiversität der Gewässer im Sinne des Naturschutzes zu erhöhen, wurden vom Anglerverband Niedersachsen e.V. (AVN) Flächen der Teichwirtschaft Göckemeyer seit 2016 angepachtet, um dort Artenhilfsprogramme durchführen zu können. Dr. Matthias Emmrich erläuterte, dass der Anglerverband mit 6 wissenschaftlichen Mitarbeitern gut aufgestellt ist, um die vielfältigen Aufgaben, die über die Angelinteressen hinausgehen, erfüllen zu können. Der AVN versteht sich seit langem nicht nur als Betreuer und Dienstleister der lokalen Angelvereine, sondern engagiert sich für die Entwicklung gesunder Gewässer mit artenreicher Fauna.
Der einheimische Edelkrebs (Astacus astacus) wird in eigens angelegten Teichen nachgezüchtet, um die Tiere in geeigneten Gewässern wieder auswildern zu können. An den Rand des Aussterbens gebracht wurde der Edelkrebs durch die Aussetzung von verschiedenen in Amerika beheimateten Krebsarten. Diese invasiven Arten gelten allesamt als Überträger der Krebspest, leiden aber selbst nicht unter dieser Pilzerkrankung und breiten sich immer weiter aus. Es genügt ein von der Krankheit befallener Krebs, um ein Gewässer derart mit der Krebspest zu versuchen, dass dann alle heimischen Edelkrebse sterben.
Bereits im 19. Jahrhundert ist der Kamberkrebs nach Europa gekommen. Später folgten Signalkrebs und Roter Amerikanischer Sumpfkrebs. Als neues Problem hat sich der Marmorkrebs herausgestellt. Es handelt sich offensichtlich um eine Mutation, die in der Aquaristik entstanden ist. Es gibt nur Weibchen, die als Klone entstanden sind und nach 8 Wochen bis zu 600 Klon-Nachkommen hervorbringen können.
Um das Artenschutzprojekt des einheimischen Edelkrebses zu realisieren, wurden 4 Folienteiche angelegt, in denen die Bedingungen für das Leben und die Vermehrung des Flusskrebses eingerichtet wurden. Für die Reproduktion benötigt der Edelkrebs Gewässer mit Wassertemperaturen von über 15°C. An das Gewässer stellt der Flusskrebs keine besonders hohen Ansprüche. Ob Fließgewässer oder Stillgewässer spielt keine Rolle. Die Wasserqualität muss sich nicht durch besondere Reinheit auszeichnen. Als Nahrung dienen Wasserschnecken und Aas sowie vegetarische Kost, hier im Becken Fischfutterpellets, Möhren und Petersilie. Außerdem sollten Versteckmöglichkeiten durch Strukturen im Wasser und am Ufer vorhanden sein. In den Anzuchtbecken wurden dazu diverse Hohlziegel und Tonröhren deponiert. In der Natur kommen dafür ansonsten gut unterhöhlte Wurzeln randständiger Bäume in Frage. Da die Tiere gerne im Schlamm wühlen, ist das Wasser oft trübe. Die Krebse sind nachtaktiv und kommen dann gelegentlich auch über Land, um in andere Gewässer zu gelangen.
Aktuell werden ca. 120 Elterntiere im Geschlechterverhältnis 1 zu 1 gehalten. Die Jungkrebse werden nach dem Schlupf umgesetzt und wachsen 1 bis 2 Jahre im Anzuchtbecken bis zur Größe von 5 bis 8 cm auf, bevor sie in zuvor auf Eignung geprüfte Gewässer entlassen werden. Gefährdet sind die Jungkrebse besonders unmittelbar nach Häutungen, solange die neue sich ausdehnende Hülle noch butterweich ist. Dann werden die kleinen Krebse von Gelbrandkäfern und von Rückenschwimmern erbeutet. Um die Verluste gering zu halten, werden aus den Anzuchtbecken deshalb diese Wasserinsekten abgekeschert.
Als weiteres Artenschutzprojekt des AVN stellte Dr. Emmrich die Förderung der Quappe vor. Diese heimische Fischart ist durch die vielen Querverbauungen der Flüsse gehindert, in
die wenigen noch vorhandenen überschwemmbaren Auen zu gelangen, die sie für die erfolgreiche Vermehrung benötigt. Ziel der Wiederansiedlung ist dabei auch eine Bekämpfung der Schwarzmeergrundel.
Diese invasive Art ist äußerst anspruchslos und vermag hohe Siedlungsdichten auch in naturfernen Gewässern sehr schnell aufzubauen. Da es Gewässer gibt, in denen sich bis zu 20 Grundeln pro m²
aufhalten, bleibt für die heimische Fauna kein Raum mehr. Die heimischen Fischarten werden verdrängt und auch die Bestände der Wirbellosen wie Muscheln und Schnecken deutlich beeinflusst. Die
Quappe hat sich als äußerst effiziente Grundeljägerin erwiesen und soll deshalb gefördert werden. Ausgesetzt werden die herangezogenen Quappen, wenn sie eine Länge von 7 bis 8 cm erreicht haben.
Nach drei Jahren können Quappen bereits eine Größe von 45 cm aufweisen. Sie werden durchschnittlich sieben Jahre alt. Dr. Emmrich wies ferner darauf hin, dass inzwischen viele neue
wissenschaftliche Erkenntnisse zur Erhaltung der Fischbestände im besonderen und der Biodiversität der Gewässer im allgemeinen an die Angler weitergegeben werden. So werde inzwischen empfohlen,
sehr große Fische einiger Arten zu schonen, da sie für die Reproduktion eine wichtigere Rolle spielen. Die sehr großen Individuen der Arten produzieren mehr Eier, die jeweils über einen größeren
Dottervorrat verfügen. Zudem finden die erfahrenen Altfische eher optimale Laichgründe. Somit sind die Altfische diejenigen, deren Nachwuchs die größten Überlebenschancen aufweisen. In einigen
Gewässern des ANV und seiner Vereine müssen z.B. gefangene Hechte von über 90 cm von den Anglern zurückgesetzt werden. Für die ausführlichen Erläuterungen bedankte sich im Namen des NABU Wedemark
Heide Winterfeldt und bat die Anwesenden um eine Spende für die Artenhilfsprojekte.
Ein Nebenprodukt der Forellen-Teichwirtschaft:
Brunnenkresse-Kulturen im nährstoffreichen Wasser der Forellenzucht.
Anschließend stellte Frau Prof. Dr. Jutta Papenbrock ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der Leibniz Universität Hannover vor. Das für die Forellenzucht verwendete Wasser soll in einem Kreislaufsystem zugleich als Nährmedium für die Anzucht von Brunnenkresse Verwendung finden. Für dieses neue Verfahren wird auf alte Kulturformen der Brunnenkresse (Nasturtium officinale) aus Thüringen zurückgegriffen, wo seit altersher insbesondere im Raum Eisenach die Brunnenkresse in Wasserbecken kultiviert wurde. In dem hier in Erprobung befindlichen Verfahren werden die Pflanzen in handlichen Sieben angezogen, die etwa 6 cm tief in dem zirkulierendem Wasser aus der Forellenzucht eingetaucht angebracht sind. Alle drei Wochen kann bis in den Herbst geerntet werden. Bei Frost stirbt die Pflanze ab. Weitergehende Ernten würden ein beheiztes Gewächshaus erfordern. Als Nebeneffekt kann der Nährstoffentzug durch das Wachstum der Pflanze zur Wasserklärung beitragen.
Als reichhaltige Vitaminquelle, die bereits im Vorfrühling geerntet werden konnte, war die Brunnenkresse seit langem bekannt. Wegen des scharfen Geschmacks wird die Brunnenkresse in Mischung mit anderen Pflanzen als Salat oder Gemüse gegessen. Bei der Verarbeitung in der Küche gilt: Ernten vor der Blüte (nachher bitter) und nach dem Blühen bis in den Winter hinein. Von besonderem Interesse für die Forschung sind die gesundheitlichen Wirkungen aufgrund der vor allem von der Brunnenkresse produzierten Stoffe. Es liegen vielversprechende Anhaltspunkte vor, dass insbesondere die Senfölglycoside oder Glucosinolate, die die Pflanze produziert, um sich vor Insektenfraß zu schützen, nach Umwandlung durch ein spezielles Enzym zu ernährungsphysiologischen Effekten führt, die u. a. förderlich sind für den Schutz vor oxidativem Stress, für entzündungshemmende Wirkungen und sogar bestimmten Krebserkrankungen vorbeugen sollen. Wirksubstanz ist das von der Brunnenkresse in hohen Konzentrationen produzierte Senfölglycosid Gluconasturtiin. Im Moment werden Optimierung der Kultivierung und die Wirkungen der Brunnenkresseextrakte auf Zellen im Humanstudium im Rahmen der Boden-Pflanze-Mensch-Forschungsinitiative an der Leibniz Universität Hannover genauer untersucht.
Heide Winterfeldt, Organisatorin der Exkursion zu den Sonderformen der Teichwirtschaft, bedankte sich im Namen des NABU Wedemark für die ausführlichen und anschaulichen Erläuterungen der neuen Form der Brunnenkressekultur.
Text: Axel Neuenschwander
Fotos: Beate Butsch
https://edelkrebs-niedersachsen.de/
Artenschutzarbeit Edelkrebs & Quappe